HaraBauch gut - alles gut

Das Hara-Training: Die Wurzel des Lebens entdecken

Ishu Lohman: Giulia Enders schreibt in ihrem Bestseller „Darm mit Charme“, dass wir unseren Darm gut pflegen sollten, wenn wir uns in unserem Körper wohlfühlen wollten. 
Gilt das genauso auch für unseren Bauch? Ist auch der Bauch der Schlüssel zu einem gesunden Körper und Wohlbefinden?

Anando Würzburger: Auf jeden Fall, zumal ja Bauch und Darm eine Einheit bilden.   Wenn der Energiefluss im Bauchraum nicht funktioniert, dann kann auch der Darm nicht richtig funktionieren. Beides gehört also zusammen und ist ganz entscheidend für Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit. Denn sowohl der Bauch als auch der Darm sind mit unserem Gehirn verbunden. Deswegen spricht man in der Forschung ja auch vom „Bauchhirn“, weil dort eben wichtige Botenstoffe wie Serotonin oder Dopamin produziert werden, die unser Wohlbefinden unmittelbar beeinflussen.
In der chinesischen Medizin benutzt man das Bild, dass der Bauch wie die Wurzeln eines Baumes sind. Er ist die Quelle des Lebens, der den ganzen Körper mit Energie versorgt. Und wenn die Wurzeln nicht gesund sind, dann kann auch der Baum nicht wachsen. Ich kann dann zwar versuchen, die Zweige zu bearbeiten, aber das ist letztlich ein rein kosmetischer Versuch, der zum Scheitern verurteilt ist.

I: Wenn wir den Bauch als Wurzel des Lebensbaumes sehen – woran merke ich überhaupt, ob dieses Wurzelwerk bei mir intakt ist?

A: Da gibt es verschiedene Indikatoren, an denen man das sehr gut feststellen kann. Das fängt mit der Frage an, ob ich überhaupt Kontakt zu meinem Bauch habe? Kann ich ihn spüren – kann ich empfinden, wie gerade mein Bauchgefühl ist?
Wie steht es mit der Bauchatmung - Bis wohin kommt mein Atem? Atme ich bis in den Bauch hinein oder bleibt meine Atmung schon oben im Zwergfell hängen.
Und wie ist die Energie im Bauch verteilt? Ist sie kalt oder warm?
Ist mehr Energie im oberen Bauch oder im unteren Bauch? Nach der chinesischen Medizin sollte der untere Bauch eine gewisse Energiefülle haben und der obere Bauch sollte entspannt sein. Beides kann man spüren, wenn man die Hände auf den Bauch legt. Bei den meisten Leuten ist der untere Bauch zu weich, weil da zu wenig Kraft und Energie ist. Bei vielen ist der untere Bauch sogar kalt, was den Energiemangel deutlich zeigt.

I: Noch mal zum Grundverständnis: Wenn mein Bauch nicht zwickt oder grummelt, heißt das dann, dass alles gut ist?

A:  (lacht) Es gibt Zustände, die finden wir in Ordnung, weil wir uns mit dem Status Quo arrangiert haben. Aber vielleicht gibt es ja ein Optimum, das wir noch gar nicht kennen?!  Wenn ich wirklich Kontakt zu meinem Bauch habe, komme ich in meine Mitte. Da eröffnen sich dann Dimensionen, die ich noch gar nicht erfahren konnte, weil mir die Anleitung dazu gefehlt hat. So bekomme ich durch meine Mitte ein besseres Gefühl für meine Grenzen. Ich kann besser unterscheiden: Das bin ich mit meinen Gefühlen und da ist der Andere mit seinen. Aus meiner Mitte heraus kann ich besser spüren, was für mich stimmt und was nicht. Wann ich „Ja“ sagen will und wann „Nein“.  Und ich kann auch besser spüren: Was gehört wirklich zu mir und was ist vielleicht nur eine Idee, die mir irgenwann mal anerzogen wurde.
Ganz wichtig ist der Kontakt zum Bauch auch für die Stressregulation. Durch bestimmte Atemübungen oder durch die Bauchmassage kann man den Schalter vom Stressmodus auf die Entspannung umlegen. Das setzt aber natürlich voraus, dass wir überhaupt ein Gefühl dafür bekommen, wann wir im Stress sind. Oft nehmen wir das gar nicht mehr wahr, weil wir uns so an die ständige Anspannung gewöhnt haben.

I: Wie kann ich denn zu einem besseren Kontakt mit meinem Bauch kommen?

A: Auch da gibt es ganz unterschiedliche Möglichkeiten: Bestimmte Meditationen, Atemtechniken und Körperübungen sind sehr hilfreich. Und natürlich gibt es die Bauch-Massage, bei der durch die Berührung ein Gleichgewicht in der Energieverteilung hergestellt werden kann und wir uns ganz bewusst mit dem Bauch verbinden können. Deswegen hat Osho dieser Massage auch den Titel „Hara Awareness Massage“ gegeben – übersetzt also: die Bauch-Bewusstseins-Massage. Dabei geht es auch darum, eine Achtsamkeit für die eigene Mitte zu entwickeln. Dadurch, dass ich das Bewusstsein bei der Massage auf das Spüren des Bauches lenke, wird auch das Gehirn miteinbezogen. Eine Zustimmung entsteht, wieder mit dem Bauch in Kontakt zu kommen. Vielleicht habe ich durch bestimmte Ereignisse gelernt, meine Gefühle und meinen Bauch nicht mehr wahrzunehmen. Da ist bei vielen von uns eine Verwirrung entstanden, weil wir zu sehr in die Anpassung gegangen sind und so den Kontakt zu unserer ursprünglichen Quelle verstellt wurde. Indem wir unser Bewusstsein wieder in den Bauch lenken, kann ich mich neu mit meiner Quelle verbinden.
Giulia Enders beschreibt in ihrem Buch „Darm mit Charm“, dass über den Vagusnerv Signale aus dem Darm an das Gehirn weitergeleitet werden – und zwar an Zentren, die für das „Ich-Gefühl“, Gefühlsverarbeitung, Moral, Angstempfinden, Gedächtnis und Motivation zuständig sind. „Das bedeutet nicht, dass unser Darm unsere moralischen Gedanken steuert – es räumt aber die Möglichkeit ein, diese zu beeinflussen.“ Diese Zusammenhänge werden zur Zeit in der Wissenschaft erforscht und heiß diskutiert.  Ich selbst beziehe mich mit meinen Aussagen auf das, was ich in der japanischen und chinesischen Meditations- und Achtsamkeitspraxis in Bezug auf das Energiezentrum im Bauch gelernt habe und natürlich außerdem auf meine Meditationspraxis mit Osho sowie auf die Erfahrungen, die ich in den letzten 30 Jahren aus der Arbeit mit dem Bauch sammeln konnte.

I: Du bietest jetzt in der UTA-Akademie eine Ausbildung zum Hara-Awareness-Praktiker an. Was können die Teilnehmer in diesem Training lernen?

A: Vor allem können sie erfahren, welche Übungen und Techniken zu einem gesunden Bauch verhelfen können. Dazu vermittle ich Atemübungen, Meditationen und natürlich die Bauchmassage, die ebenfalls sehr wirksam ist, um den Bauch zu stärken. Teil des Trainings sind auch die „Bewegungen von innen“. Sie entstehen aus unserem Inneren heraus und werden nicht vom Verstand gesteuert. Diese Übungen sind sehr hilfreich, um den Modus des Tun und Machens loszulassen, um mit unserem inneren Fluss in Kontakt zu kommen. So kann vieles an seinen natürlichen Platz fallen.

I: Es geht also auch darum, die inneren Impulse wieder wahrzunehmen und zu integrieren?

A: Ja, genau! Unser Bauch ist ja auch ein ganz feines Wahrnehmungsorgan, aber jede Meldung vom Bauch ans Gehirn geht durch bestimmte Instanzen. Sie lassen die Meldung durch oder eben nicht. Wenn wir so konditioniert sind, bestimmte Bedürfnisse nicht wahrzunehmen, dann gelangen die entsprechenden Impulse gar nicht erst in unser Bewusstsein. Wir spüren dann vielleicht ein Grummeln im Bauch, fühlen uns unwohl, können aber gar nicht sagen, was eigentlich los ist. Indem wir lernen, diese ursprünglichen Impulse wieder besser wahrzunehmen, entsteht eine neue Verknüpfung zwischen Bauch und Gehirn. Eine Verknüpfung mit unserer Kraftquelle, dem, was östliche Kulturen als „Hara“ bezeichnen. Das Hara wird ja oft auch als Sitz des Willens bezeichnet und gleichzeitig ist es auch der Platz der Stille. Das klingt zunächst paradox, aber es passt zusammen, weil es eben der Platz ist, wo wir nicht denken. Und von dort können wir unterscheiden: Kommt da jetzt ein Gedanke, ein Urteil, eine Wertung oder kommt der Impuls aus der Quelle unseres Seins? Denn viele Reaktionsweisen, die wir haben, beruhen auf Ereignissen aus der Vergangenheit, die für uns jetzt gar nicht mehr stimmig sind. Vielleicht waren sie einmal sinnvoll, doch jetzt behindern sie uns.  Was wirklich stimmt, spüren wir in unserem Hara.

I:  Wen möchtest Du als Teilnehmer ansprechen?

A: Ich habe eine große Vielfalt von Teilnehmern in meinen Trainings und auch das macht die Gruppen so interessant. Es gibt Teilnehmer, die das Training für ihre berufliche Praxis als Heilpraktiker, Arzt oder Ernährungsberater benutzen – andere machen es ausschließlich für sich selbst. Beides finde ich gut. Beim letzten Training war zum Beispiel eine Kunstrestauratorin, für sie ist dann so viel in Bewegung gekommen, dass sie auf einmal das Bedürfnis verspürte, zumindest Teilzeit auch mit der Hara-Massage zu arbeiten. Aber es ist natürlich genauso in Ordnung, wenn man das ganze Training als inneren Prozess betrachtet, mit seiner Mitte in Kontakt zu kommen.


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