Auf dem Weg zum heiteren Leben

anando-heiterEin Interview mit Anando

Ist in der Therapie Platz für Heiterkeit?

Aber ja! Heiterkeit ist eine transformative Kraft. Sie ist wie das Öl im Getriebe. Sie kann rostige Räder wieder in Schwung bringen. Heiterkeit kann etwas von der Schwere nehmen und hat gerade dort besondere Wichtigkeit, wo Schwierigkeiten uns zu erdrücken drohen.

Als Therapeutin bist du ja oft mit schweren Schicksalen konfrontiert, wo einfach vieles schief gelaufen ist. Wie kannst du da Heiterkeit reinbringen? Ist da nicht erstmal nur Platz für Wut und Tränen?

Selbst Wut und Tränen kann man ja mit Heiterkeit nehmen. Heiterkeit hat etwas Wohlwollendes und auch etwas Ansteckendes. Ich muss da also keine Heiterkeit „reinbringen“, sondern meine Heiterkeit kann andere anstecken. Das bekomme ich auch oft als Feedback. Leute kommen zu mir, weil sie sich angezogen fühlen von einer gewissen Leichtigkeit und Heiterkeit in meinen Gruppen. Es hat allerdings lange gedauert, bis ich das als eine Qualität schätzen konnte. Ursprünglich bin ich als Encounter-Therapeutin ausgebildet. Da ging es in erster Linie um Konfrontation und entsprechend wurde in den Gruppen viel mit Druck und ganz festen Strukturen gearbeitet. Ich hatte immer das Gefühl: Ich kann das nicht! Und deswegen hatte ich oft das Gefühl: ich bin kein richtiger Therapeut. Es hat ziemlich lange gedauert, bis ich verstanden habe, dass es gerade meine Qualität ist, Leichtigkeit in Situationen zu bringen, die an sich schwer sind.

Du strahlst ja in der Tat eine gewisse Grundheiterkeit aus. Hast du diese Eigenschaft immer besessen?

Ja, ich habe eine heitere Grundausstattung (lacht). Besonders herausgebildet hat sich das, als ich mit 10 Jahren ins Gymnasium kam. Da gab es öfters Einträge ins Klassenbuch: „Würzburger lacht im Unterricht!“ Das war nicht gerade willkommen. Für mich war in der Schule die Heiterkeit oft eine Rettung, denn ich mochte die Schwere dort nicht. Als ich dann später mit 20 Jahren durch Amerika reiste und in einer Landkommune lebte, wurde ich als „happy-go-lucky“ bezeichnet. Auch das war nicht als Kompliment gemeint. Es war eher ein Vorwurf, dass ich Dinge zu leicht nehme. In dieser Kommune gab es keinen Strom und man musste um 4 Uhr morgens aufstehen und die Ställe ausmisten. Geleitet wurde sie von einem Vietnam-Veteran. Leichtigkeit war da nicht willkommen.

Du bist also mit deinem heiteren Naturell oft angeeckt. Gab es denn auch Ermutigungen?

Vor allem natürlich die Begegnung mit Osho. Für ihn hatten ja Humor und Leichtigkeit einen großen Stellenwert. Bei dem ersten Diskurs, den ich von Osho hörte, erzählte er einen Witz über das Pinkeln. Dieser Witz war für mich wichtiger als die hoch philosophischen Ausführungen, die er auch machte. Für mich war erstmal wichtig, dass er Humor hat und gerne Witze erzählt. Dadurch wurde es schließlich auch leichter für mich, Heiterkeit als eine meiner Qualitäten in der therapeutischen Arbeit anzuerkennen. Das war aber – wie gesagt - ein Prozess über viele Jahre.
Vor allem als ich Osho über das Tao sprechen hörte, löste sich etwas in mir. Da geht es ja ganz viel um Leichtigkeit. Um Veränderungen, die sich wie Wasser ihren Weg bahnen und die Hindernisse umschiffen. Tao ist ein Weg der Leichtigkeit und nicht einer der Konfrontation. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt ja auch die neuere Trauma-Therapie. Du gehst da hin, wo Licht und wo Ressourcen sind. Erst von diesem sicheren Boden kannst du dich dem Trauma nähern.

Kann man Heiterkeit lernen?

In gewisser Weise schon. Heiterkeit hat viel mit Entspannung und somit auch mit Meditation zu tun. Unser Verstand steht uns da oft im Weg. Er ist eine Problemlösungsmaschine. Die beißt sich an Problemen fest – und dann hast du wirklich ein Problem! (lacht) Der Verstand kann nicht loslassen, er will die Lösung sofort - hier und jetzt. So kaut er das Problem vorwärts und rückwärts, immer auf der Suche nach einer zweckmäßigen Lösung. Er will die kürzeste Strecke von A nach B. Doch so funktioniert das Leben nicht. Das Leben macht oft Umwege und auch die Lösung kommt meistens über Umwege – nachdem man erst mal losgelassen hat. Dieses Loslassen kann man in der Meditation üben.

Kannst du uns dafür ein Beispiel geben?

Meine Tochter wurde 1979 in Pune geboren. Als ich dann zurück in den Westen musste, um Geld zu verdienen, hatte ich das Problem, dass ich nicht so viel arbeiten konnte wie vorher. Ich musste meine Tochter schließlich auch versorgen. Natürlich wollte ich so schnell wie möglich zurück nach Pune und dafür brauchte ich Geld. Das konnte ich nicht erzwingen und musste lernen, loszulassen. Ich hatte dann tatsächlich das Vertrauen, dass das Leben mich schon wieder zu Osho bringen würde, wenn der richtige Zeitpunkt für mich da wäre. Just zu dieser Zeit war ich öfters mit einer Frau zusammen, um die ich mich ein bisschen kümmerte. Sie hatte eine ziemlich harte Zeit, hatte Hepatitis und lief immer etwas ungepflegt durch die Gegend. Ich schnitt ihr die Haare und wollte ihr ein neues T-Shirt kaufen, weil ich dachte, sie hätte kein Geld. Später stellte sich heraus, dass sie mehrfache Millionärin war. Ohne dass ich sie danach gefragt hatte, schenkte sie mir dann das Geld für meinen nächsten Aufenthalt in Pune. Auf eine ganz ähnliche Art bin ich später auch nach Oregon gekommen. Natürlich wurde durch solche Erfahrungen mein Vertrauen ins Leben bestärkt.

Aber du hast doch sicher auch schon das Umgekehrte erlebt?

Ja, natürlich - das war dann allerdings eher in Bezug auf gescheiterte Liebesgeschichten. Aber auch da konnte ich mit dem Abstand der Jahre eigentlich immer sagen: es war gut, dass die Beziehung damals zu Ende gegangen ist. Das kann man halt meist nicht sehen, wenn man mitten drin steckt und der Trennungsschmerz einen überwältigt. Da braucht man erstmal etwas Zeit, um Abstand zu gewinnen.

„Wer weiß, wofür es gut ist?!“, sagte meine Mutter immer. Hat dieser heitere Satz nicht auch etwas mit Alters-Gelassenheit zu tun?

Im Grunde hatte ich dieses Gefühl schon immer, aber durch Osho ist es zu einer Gewissheit geworden. Das heißt allerdings nicht, dass nicht auch bei mir manchmal Wünsche auftauchen, an denen ich mich festbeiße. An der Enge, die dann entsteht, merke ich, dass ich auf dem Holzweg bin. Das ist eine ganz feine Linie zwischen dieser Enge einerseits und einem gesunden Antrieb andererseits. Ich habe ja durchaus Drive, um Dinge zu tun und das ist auch gut so. Wenn aber Enge entsteht, weil die Wünsche übermächtig werden, dann kippt es und wird zum Krampf.

Du bist also nicht für easy-is-right im Sinne von Laisser-faire?

Dieses „easy is right“ – von dem Osho gesprochen hat, ist ja oft missverstanden worden. Worum es geht, ist eine wirkliche Begegnung mit dem, was das Leben bringt. Dem Augenblick begegnen und ihn gestalten. Das heißt: Kreativ mit der Situation umgehen, die das Leben mir gebracht hat. Das war einer der Leitgedanken von Osho: Das Leben erwächst von diesem Augenblick und der trägt mich weiter. Das Jetzt kann ich gestalten – auch wenn ich nicht weiß, wohin mich das Leben dann tragen wird. Aber aus diesem Moment kann ich das Beste machen. Das ist ein großer Unterschied zu laisser-faire und erstmal abhängen und sagen: das wird schon!

Der römische Philosoph Seneca beschrieb vor fast 2000 Jahren Techniken zur Erlangung der Heiterkeit: „Man muss dem Geist Erholung einräumen und ihm immer wieder Muße gönnen, die ihm zur Nahrung und Kräftigung dient. Auch soll man sich auf ungedeckten Promenaden ergehen, damit der Geist unter freiem Firmament und an frischer Luft sich belebe und erhebe. Gelegentlich werden ein Ausritt, eine Reise und ein Aufenthalt in einer anderen Gegend neue Kraft geben, geselliges Zusammensein und ein recht ungezwungener Umtrunk. Manchmal soll man´s auch fast bis zu einem Rausch kommen lassen, aber nicht so, dass er uns ertränke, sondern nur eintauche.“ Was hältst du von diesen Ratschlägen des alten Römers?

Die gefallen mit gut. Auch die moderne Gehirnforschung sagt ja, dass man abends am besten mit seinen Freunden aushängen soll, um dem Gehirn Erholung zu geben. Unser Gehirn braucht auch Leerlauf. Da kann die Zeit mit Freunden sehr wichtig sein – genauso wie körperliche Bewegung. Letztlich geht es um eine gesunde Balance. Wenn ich zu lange am Computer sitze, lässt meine Konzentration nach. Dann brauche ich einen Ausgleich. Am besten Bewegung. Und ganz wichtig: Wir alle brauchen Freiraum, um etwas zu tun, was nicht zielgerichtet ist. Wir brauchen Raum, einfach zu sein – ohne Ziel und Erledigungszwang. Deswegen finde ich die Meditationen von Osho so gut: Sie bieten Platz für Spontaneität und Spielerisches bieten. Auf dem Weg zur Heiterkeit brauchen wir Platz für Spielerisches und Spontanes. Und es ist wichtig, das auch körperlich auszudrücken – wie das etwa beim Katsugen Undo geschieht.
Ich selbst versuche mir jeden Tag Zeit einzurichten, die ich einfach verplempern kann. Im Leben muss Platz für Verspieltes sein. Das ist auch eine Qualität, die Osho sehr gefördert hat. Ich habe früher viel Yoga gemacht. Das hat ja etwas Strenges, weil man dem Körper eine feste Struktur gibt. Viele suchen auch solche festen Strukturen, weil sie ein Geländer bieten. Irgendwann habe ich bei der Meditation gespürt, dass ich solche Strukturen gar nicht mehr brauche, dass es jetzt geht alles ganz von alleine geht.

Das Interview führte Michael Lohmann

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